Waiting for Harold
Die Zwillingsbrüder Wolfgang und Christoph Lauenstein zählen zu den arrivierten Animations- und Modelltrickfilmern Deutschlands. Während ihres Studiums der visuellen Kommunikation - Christoph an der Kunsthochschule Kassel, Wolfgang an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg - produzierten sie ihre ersten Kurzfilme. Durch die Verbindung von klassischer Puppenanimation, Claymation und Computeranimation schufen sie ihren eigenen, unverwechselbaren visuellen Stil. Und ernteten internationale Anerkennung: Der siebenminütige Animationsfilm Balance, für den sie gemeinsam die Idee entwickelten, das Drehbuch schrieben und Regie führten, erhielt neben vielen anderen Auszeichnungen 1990 als erster und bislang einziger deutscher Animationsfilm den Oscar als Bester animierter Kurzfilm. In reduzierter Stop-Motion-Technik entwirft Balance eine Metapher für das fragile Gleichgewicht menschlichen Miteinanders. Der Film, der als Teil eines von der Popgruppe Alphaville initiierten Kurzfilmprogramms entstand, ist in einer Endlosschleife im Haus der Geschichte der Bundeszentrale für politischen Bildung in Bonn zu sehen.
In der Folgezeit entwickelten und produzierten die Brüder mit ihrer Animationsfilmproduktionsfirma Lauenstein & Lauenstein unzählige Auftragsarbeiten für TV und Kino sowie Werbespots für internationale Kunden, die meisten davon in klassischer Stop-Motion-Technik.
Seit 2014 widmen sich Wolfgang und Christoph Lauenstein als Autoren und Regisseure schwerpunktmäßig der Realisierung eigener Kinoprojekte, die in Zusammenarbeit mit internationalen Computertrick-Produktionsfirmen hergestellt werden: Ihr erster abendfüllender Animationsfilm Luis und die Aliens aus dem Jahre 2018 erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Jungen und drei frechen außerirdischen Wesen; ein Jahr später entstand die sehr freie Adaption des Märchens von den „Bremer Stadtmusikanten“, Die sagenhaften Vier.
Ihre jüngsten Kurzfilme knüpfen wieder an tiefgründigere Themen an: Waiting for Harold aus dem Jahre 2019 geht der Frage nach der Schicksalhaftigkeit des Zufalls nach, der 2021 entstandene surreale Puppenanimationsfilm People in Motion erzählt erneut eine Parabel über Egoismus und Gemeinschaftssinn.
Ist das Leben nur eine Aneinanderreihung von Zufällen oder folgt es einem schicksalhaften Plan? Mit dieser philosophischen Frage setzt sich der siebenminütige Animationsfilm Waiting for Harold spielerisch auseinander: Marie wartet auf ihr Blind Date Harold – vergeblich, denn Harolds Bus wird sich verspäten. In einem Time Loop mit minimalen Abwandlungen von Wiederholung zu Wiederholung wird die Idee des berühmten Flügelschlags eines Schmetterlings durchgespielt, der in einer Kettenreaktion das große Ganze verändern kann.
Bild © Lauenstein & Lauenstein